Sonntag, 30. August 2009

22.08.2009 ? Für Essen ein historischer Tag? Allerdings: Ein HISTORISCHER TAG !


Als einen solchen nannte der Essener OB Reiniger den mit „Nolde-Wölkchen“ betupften Samstagnachmittag im August, als er den neuen, von Andreas Kipar entworfenen Krupp-Park eröffnete. Reiniger gab gleich die Erklärung und den Kontext hinterher. Das macht ihn sympathisch im Sinne eines Bewusstsein für historische Zusammenhänge über die eigener (Politiker-)Vita hinaus: Nicht etwa, dass dies die letzte Einweihung seiner 10 Jahre als Oberbürgermeister der Stadt war, sollte als historisch begriffen werden, sondern dass eben dieses Terrain zwischen dem Arbeiterstadtteil Altendorf und der Essen Innenstadt mehr als 150 Jahre als „Verbotene Stadt“ galt und dass dies nun als Park für die Öffentlichkeit zugänglich wird.

Zur Erinnerung: Das Gebiet der Kruppschen Gussstahlwerke hatte eine Ausdehnung von mehr als dem dreifachen des historischen Essener Stadtkerns. Wer von Altendorf nach Essen wollte und umgekehrt, musste an einer knapp zwei Kilometer langen Mauer links und rechts der Straße vorbei − ganz gleich ob er nun zu Fuß, mit dem Rad, Straßenbahn oder dem Auto unterwegs war. Dahinter rauchte und schepperte es in den Hoch-Zeiten von „Deutschlands Macht auf dem Meere“ von Wilhelm Zwo und als „Waffenschmiede des Reiches“ bis zum Ende des von den Deutschen angezettelten Weltkriegs Nummer zwei. Es gab ein geschlossenes Straßen- und Eisenbahnsystem, Bunker, Zwangsarbeiterunterkünfte Panzerschießplätze mit Tribünen für die Generalität, Tore, Zäune − eine verbotene Stadt.
Gleich daneben lagen die „Bullenkloster“ für ledige Krupp-Arbeiter, die Hurenquartiere der Stahlstraße und der berüchtigte und unregierbare „rote“ Segeroth − im Bombenkrieg abgebrannt und seit den 70ern zum Uni-Kampus sterilisiert.

Nach dem Kollaps des besagten Reiches und der Demontage in den späten 1940er Jahren kam das Krupp-Areal nie wieder so richtig auf die Füße. In den 1960er und 1970er Jahren wirkte sich zusätzlich die Stahl- und Kohlekrise als verödend für das riesige Gelände aus. Man hielt planungsrechtliche dennoch hartnäckig das verödete Gebiet weiter als Industriefläche bereit − man weiß ja nie!

In den letzten 15 Jahren vor dem Entschluss, im Rahmen eines wohl kalkulierten Coups die Konzernzentrale von (Thyssen-)Krupp zurück nach Essen zu holen, diente die Brache von mehreren Quadratkilometern als exterritoriales Gebiet: Schlafstatt für Obdachlose und Junkies, Hurentreff und Location für klammheimliche Gothic- oder SM-Parties. Oder es war Nistplatz für durchziehende Vögel. In jedem Fall blieb ein schwer überwindbarer Riegel zwischen Wohnquartieren und Innenstadt und ein Grundgefühl von „bleib mal besser weg da!“
Das soll (und wird!) sich nun nach dem Entscheid der Kruppstiftung und ihres Patriarchen Berthold Beitz, dem Wunsch der Stadt und den Entwürfen von Andreas Kipar, dem Freiraumplaner der „Grünen Strahlen“ ändern − durch eine Hauptverwaltung des Thyssen –Krupp-Konzerns, einen Business- und Wissenschaftskampus und − einen Park!

Einen Park, den es, wie OB Reiniger bemerkte, „dann noch geben soll und wohl auch geben wird, wenn es allen diejenigen Menschen nicht mehr gibt, die heute als Politiker, Stadt-Repräsentanten und Bürger an seiner Einweihung teilhaben .Ein neuer Stadtpark!“
Ich gehe hin und fotografiere. Verspielt kuscheln sich die postmodernen Hügel von Andreas Kipar und seinem Team von L.A.N.D. (= landscape|architecture|nature|design) in das ehemalige Panzerbaugelände. Kinder spielen an dem noch karg begrünten See. Türkische Altendorfer Mitbürger lassen sich in Jeans und Nike’s stolz mit dem scheidenden Stadtoberhaupt knipsen. Es riecht nach Köfte, Stauder-Pils und Sonnenmilch. Es wächst zusammen, was zusammen gehört. Auch wenn die Hügel heute noch kahl sind. EIN HISTORISCHER TAG!!













2 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Die Texte sind prima!
Die Bilder eher von sehr bescheidener Technik und Bildkomposition.

HK hat gesagt…

Na ja danke an den anynomen Spender. Die Text-Bild-Kombination ist mein Feld. Da gehört das glänzende Fettauge ebenso dazu wie das Haar in der Suppe.
Mal so herum, mal anders. :->