Mittwoch, 8. Februar 2012

Deutscher Tanzpreis 2012 im Essener Aalto-Theater

"Da möchte man doch mal Staatstheater sein", entfuhr es einem Szeneveteran aus Essener Kulturkreisen zur Verleihung des Deutschen Tanzpreises 2012. Das Bayerische Staatsballett war mit über siebzig Tänzerinnen und Tänzern angereist, um sich im Essener Aalto die beiden höchsten Preise abzuholen, die die Tanzwelt in Deutschland alljährlich zu vergeben hat.
Der Deutsche Tanzpreis 2012 ging an der künstlerischen Leiter der Münchner Compagnie Ivan Liska und der "Tanzpreis Zukunft" für die besondere Leistung im künstlerischen Nachwuchs an die am selben Hause tätige Demi-Solistin Gözde Özgür.
Zu den (Lob-)Reden und Preisen (eine bemerkenwerte Rede hielt Wolf Wondratschek für Gözde Özgür) gab es das opulente Repertoire des Staatsballetts in geraffter Auswahl. 
"Vielfältigkeit. Formen von Stille und Leere" von Nacho Duato mit Norbert Graf (r.)

"Die Probe" aus "Der Nussknacker" von Tschaikowski (Choreografie: John Neumeier)

Ilana Werner und Maxim Chashchegorov in "Die Probe"


Da es in einer Ballettgala weit schwerer fällt, diskret zu fotografieren als etwa auf einem Ärzte-Konzert, habe ich mir während der vielen lyrischen Pas-de-deux-Szenen das "Klack-Klack" verkniffen. Mir sind dabei einige schöne Bilder entgangen, beispielweise das hocherotische Cello-Duo mit der Jungpreisträgerin Gözde Özgür (mit einem Malkovich-haft dämonischen Norbert Graf als Cellisten).

Norbert Graf und Gözde Özgür (Schlussbild)
Es ärgerte mich umso mehr, weil ich Wolf Wondratscheks Wahrnehmung, Gözde Özgür im Tanz zu erleben wäre "gefährlich", nur zustimmen kann. Wondratschek sprach in seiner höchst empathischen (nicht emphatischen!) Laudatio die ständig riskierte Berufsunfähigkeit an, der sich TänzerInnen stets aussetzen, um die Illusion der Schwerelosigkeit zu erzeugen.
Er bilanzierte zu schmerzendem Rücken und Blut im Schuh : "Romantisch ist das nicht!" Aber es gäbe auch die positive Variante: "Alles geht gut, was ich Ihnen wünsche: Ihnen, Ihren Knochen und Ihrer Seele!"

Blumen für Gözde Özgür
 Ulrich Roehm ließ es sich nicht nehmen, die Strahlende in der Arm zu nehmen und ihr den Begründungstext des Preises vorzulesen.


Die Preisträgerin strahlt bei der Verlesung.


Ulrich Roehm und Tanzpreisträger Ivan Liska

Enstpannter, weiser, abgeklärter, (selbst-)ironischer wirkte (of course!) demgegenüber der Hauptpreisträger Ivan Liska. Doch dies kam in keiner Weise arrogant über die Rampe, sondern eben - abgeklärt. So wie es der Hauptpreisträger und Chef des Münchner Staatsballett in seinem Auftritt mit Judith Toros vollführte: "The Old Man and Me" von Hans van Manen zur Musik von J.J.Cale, Strawinsky und Mozart. Einfach genial, genial einfach. So wie man mit Tanz nach einer Solo-Karriere im Alter von "60+" nur faszinieren kann.
"The Old Man and Me" - Ivan Liska und Judith Turos
Judith Turos
Standing Ovations im Aalto gab es zum Schluss - na klar! Und einen Preisträger, der seinen Blumenstrauß dem Ensemble mit Verbeugung vor die Füße legte. Man hat's ihm geglaubt!

Schlussbild einer Gala

Ach ja: Essen OB Reinhard Pass gab drehbuchgemäß ein Bekenntnis zur "Tanzstadt Essen in der Tanzlandschaft Ruhrgebiet" ab.



Wen wundert's? Ebenso vorhersehbar wie die Reaktion von Kulturdezernent Andreas Bomheuer auf meine eingangs erwähnte Flachserei in Sachen "Staatstheater".
"Wir haben doch auch was zu bieten!" - Richtig! - Aber gerade eben drum wäre Landesknete als Staatstheater für die Kombination Aalto und Balett und Philharmonie und Schauspiel im Grillo doch nicht verkehrt. Vor ein/zwei Jahren war dieser Gedanke (Scheytts Gedanke?) mal kurz lanciert worden und seither ungehört verhallt.  Nicht zuletzt wäre dieses Konstrukt eine erhebliche Entlastung der Kommune, auch zu Gunsten der von Bomheuer so gern so hoch gehaltenen freien Szene.
Antwort des Dezernenten Bomheuer: "Es wird schwierig, das im Land durchzusetzen!"

Ja nee, iss klah!

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